Nur der Mensch kann sprechen. Diese hohe Fähigkeit muss er entwickeln und verantwortlich nutzen. Elektro-akkustische Geräte machen heute diese Aufgabe scheinbar überflüssig. Spezialisten erledigen sie für ihn, und die Ergebnisse werden über Sender und Lautsprecher verbreitet. Der Lautsprecher jedoch kann nur den akustischen Anteil des gesprochenen Wortes wiedergeben. Der gesund entwickelte Mensch ergänzt diesen Eindruck dann aus seinen Hör- Erfahrungen zur umfassenden Illusion, einen Menschen zu hören.
Ein kleines Kind braucht aber zum Sprechenlernen zu allererst das Erleben der Stimmung des Sprechenden, mit dem es das gehörte Wort innerlich verbindet.
Es will die Qualität der einzelnen Laute in rhythmischer Wiederholung kosten, schmecken, und mit allen Sinnen in sich aufnehmen, und daran seine eigene Sprachfähigkeit entwickeln. Wo findet das Kind heute Menschen, die mit ihm „Backe, backe, Kuchen…“ oder „Hoppe, hoppe, Reiter…“ bewegen und sprechen?
Wo sind heute Lehrer, die mit den Schülern Gedichte rezitieren – Gedichte, die erst dann in ihrem wahren Wesen aufleben, wenn ihre Vokale, Konsonanten und Rhythmen mit großer Aufmerksamkeit gesprochen, und wie Sonne, Wind, Wasser und Erde empfunden werden.
Rezitation entwickelt die Sprachfähigkeit des Menschen in ungeahnter Weise. Die Atmung wird freier, die Sprechmuskulatur wird aktiviert, Mund-, Nasen-, Rachen- und Ohrraum durchlüftet. Rezitation bringt dem Menschen Gesundheit und Daseinsfreude.
Wo Kinder nicht mit rhythmisch gesprochenen Kinderreimen, Liedern, Märchen und Gedichten aufwachsen, können sich Mangelerscheinungen organische Schäden einstellen, wie z.B., unterentwickelte Mundmuskulatur, zu starkes Zungenwachstum – damit Kieferfehlbildungen, Zahnfehlstellungen.
Welches Kind kommt heute ohne Zahnspange aus?